Der Kunststudent Maximilian Straß hat vor kurzem sein Atelier in der Eberhard-Ludwig-Kaserne bezogen. Was der 22-Jährige in den Räumlichkeiten in der Weststadt erschafft, ist ziemlich unkonventionell. Ob sich dafür auch ein Markt finden lässt?
Ludwigsburg. Kunst muss bekanntlich nicht schön sein, sie soll vielmehr aufrütteln, bewegen, auch mal verwundern. Und dafür sind die surrealistischen Traumdeutungen von Maximilian Straß sicherlich ganz gut geeignet. Der 22-jährige gebürtige Stuttgarter lässt in seinen Malereien und Zeichnungen Welten entstehen, die sich einer näheren Interpretation oft weitgehend entziehen. In einem großen Teil seiner oft in Rottönen gehaltenen Werke malt der Künstler, der seit einer Weile in der Ateliergemeinschaft Eberhard-Ludwig-Kaserne in der Weststadt arbeitet, einfach, was er träumt – und das kommt nicht selten bizarr und abgründig daher. „Ich erforsche mich selbst und das Menschsein an sich“, sagt er.
Straß studiert im sechsten Semester Freie Kunst an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. Und wie man schon erahnen kann, ist das Studium hier in mancherlei Hinsicht frei: Im Mittelpunkt liegt – zumindest in seiner Wahrnehmung – weniger der Unterricht als die Möglichkeit, sich bei der Arbeit in den gut ausgestatteten Werkstätten mit den Kommilitonen auszutauschen. Mit der Freiheit des Studiengangs komme nicht jeder so gut zurecht, erklärt Straß. „Man braucht seinen inneren Antrieb und viel Selbstdisziplin – es muss ja auch etwas Visuelles herauskommen, man darf sich nicht nur in Gedanken verirren.“
Seine emotionale Verfassung spiegelt sich in seinen Träumen, in denen er seltsame Landschaften sieht, Ideen, die er mit seinen Arbeiten vollständig ausformuliert. Oft macht er sich schnell Skizzen, damit der Gedanke nicht verfliegt. „Vision“ ist eine dieser Arbeiten, zu sehen ist eine Landschaft wie auf einem fremden Planeten, aus kreisrunden Löchern im Boden ragen, in unterschiedlicher Anordnung Teile, die wie Tortenstücke anmuten. Durch die perspektivische Flucht entsteht der Eindruck einer Bewegung in Richtung Horizont.
Ein wenig absurd, aber handwerklich sauber, haben die Formen bei Maximilian Straß oft phallische Anwandlungen, überhaupt gibt es immer wieder erotische Elemente, allein schon durch die Farbgebung hat jede seiner Landschaften immer auch etwas Körperliches. In manchen Arbeiten gesellen sich schwebende Euter oder hängende Beine zentrale Motive hinzu, ohne dass es damit eine tiefere Bewandnis hätte. Am Ende zählt das Gesamtpaket, der Eindruck, den das Ensemble vermittelt.
Manchmal ist der Hintergrund aber ganz auch konkret und ernst: Unter dem Eindruck des Unglücks der Bohrplattform „Deepwater Horizon“ (2010) zeichnete und malte Straß etwa in erstaunlicher Detailarbeit einen von der Ölpest geschundenen Vogel, mit menschlichen Körperformen, ein weiblicher Torso, der im unteren Bereich ins Abstrakte abgleitet. Drei Monate lang war er mehrere Stunden täglich damit beschäftigt. Heute sei er deutlich impulsiver, sagt Straß, mit dem Pinsel geht er nun mehr in die Fläche statt ins Detail. Auch gibt es viele Anklänge an den Schweizer Künstler HR Giger, der einst unter anderem für das Design der „Alien“-Filme verantwortlich zeichnete. „Seine Arbeit war eine große Inspiration für mich“, sagt Straß, „der Zündstoff für alles.“
Die Platten, auf denen er – meist mit Acrylfarbe, mit Tusche gemischt, dazu Airbrush – malt, hat er überwiegend auf dem Sperrmüll gefunden – allerdings nicht aus Kostengründen. Eine Holzplatte habe immer Charakter, das Alter, die Schäden, das alles mache sie individuell. Eine Grundierung drauf, und schon ist die Holzplatte wie jeder andere Untergrund bemalbar.
Am Ende seines Studiums wird Maximilian Straß sein Kunst-Diplom in der Tasche haben. Das sei schon mal ganz gut, sagt Straß, der aber auch weiß, dass ein Großteil der Arbeit dann erst beginnt. Viele Künstler suchten händeringend nach einem Galeristen – und seien dann oft nur noch bessere Produktdesigner mit einer festen Schiene, ohne sich weiterzuentwickeln. So möchte der 22-Jährige nicht sein. Eine Strategie, um eines Tages von seiner Arbeit leben zu können, habe er nicht, außer das Bedürfnis, eben genau das zu tun: „Die Kunst bin ich“, sagt der Künstler, der sich notfalls auch einen Brot-und-Butter-Job suchen will. „Ich würde zwar gerne von der Kunst leben können und relevant sein, aber ich erzwinge nichts.“
Autor: Johannes Koch
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